Stoneman Taurista

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September 2020

Auf der Karte betrachtet, sieht die 130 km lange Moutainbikestrecke des Stoneman Trails Taurista aus wie eine Pistole, die nach links zeigt. Am unteren Ende des Griffes liegt Obertauern, auf Höhe des Abzugs befindet sich die Erhebung Sattelbauer. Am Ende des Laufes befindet sich das 1827 Meter hohe Hochgründeck und im Schwerpunkt der Schusswaffe liegt Radstadt im Bezirk
St. Johann im Pongau im österreichischen Land Salzburg. Von dort aus starten Philippe und ich die nördliche Hälfte im Uhrzeigersinn mit 2800 Höhenmeter. Am nächsten Tag nehmen wir uns dann den südlichen Teil mit 1800 Höhenmeter vor. 

Seit 2 Jahren gibt es einen weiteren Stoneman Trail von Roland Stauder. Diesmal in den Niederen Tauern im Salzburger Land. Wir freuen uns, diesen Trail von zu Hause aus in nur 2 Autostunden zu erreichen und quartieren uns in Radstadt ein. Anders als sonst, kommen wir nach Tag 1 wieder nach Radstadt zurück und fahren am Tag 2 wieder zu unserem Ausgangspunkt. Somit haben wir wenig Gepäck und starten um 8:30 Uhr gen Sattelbauer und Hochgründeck.

Am Heinrich-Kiener-Haus löffeln wir in 30 Minuten Pfannkuchensuppe und bestaunen gleichzeitig neben dem Hochkönigstock das Tennengebirge im Norden. Die Hälfte der Höhenmeter haben wir bereits geschafft. Wir fühlen uns fit und sind neugierig auf die nächsten Abschnitte.

Auf der Strecke zwischen Hochgründeck und der nächsten Erhebung Rossbrand soll es Waldarbeiten geben, die nur schwer zu umfahren bzw. zu umtragen sind. Wir haben Glück und erwischen zwei Bauarbeiter in ihrer Mittagspause. Der Harvester und die Seilwinde schweigen und die Männer sitzen gemütlich mit Brotzeit auf den Stämmen und machen uns freundlich Platz. Einzige Bedingung der beiden Männer: wir dürfen ihren dritten Mann im Landrover nicht wecken, weil er sonst „grantig“ würde. Wir schieben schweigend vorbei und düsen nach Eben im Pongau.

Der Weg wird immer steiler und jetzt beginnt das Abwägen: lieber schieben oder treten bis zum Umfallen. Doch wer sein Fahrrad liebt, der manchmal schiebt und so packe ich den Sattel mit einer Hand und den Lenker mit der anderen.

Der 1770 Meter hohe Rossbrand kommt stetig näher.

Oben angekommen fahre ich erst einige Runden im Kreis. Das Dachsteingebirge mit seiner spitzen Bischofsmütze, der Hochkönigstock und alle Tauern in einem 360° Panorama aufgereit machen es fast unmöglich, sich für eine Himmelsrichtung zu entscheiden.

Wir stempeln unsere Stoneman Taurista Karte und ziehen uns eine Jacke an, denn es windet, wir wollen aber noch 15 Minuten bleiben. Es ist später Nachmittag, die Sonne steht schon schräg und wir haben den Großteil der heutigen Höhenmeter gekurbelt. Jetzt geht es fast nur noch bergab.

Immer wieder bleiben wir abwärts stehen, weil es so ein freudiges Gefühl ist, über Wurzelwege und Forstwege an Preiselbeer-Büschen vorbeizufahren. Wir fahren nach Mandling, um dort auf dem Enns-Radweg wieder nach Radstadt zu gelangen. Unsere Beine fühlen sich immer noch überraschend frisch an, sodass wir nicht glauben können, dass wir heute fast 3000 Höhenmeter weggedrückt haben. In Radstadt angekommen, steigen wir vom Rad ab und kommen pünktlich zum Abendessen an. Es gibt Suppe, Nudeln mit Fleisch und Nachtisch. Wir essen alles auf.

Der zweite Tag startet in Radstadt und wir radeln uns auf dem Enns-Radweg nach Forstau warm. Diese Art von Warming-Ups mag ich am liebsten, weil alle Körperteile sanft geweckt werden und der Puls nicht in die Höhe schießt. Die Beine waren gestern frischer, aber der erste Schmerz im Gesäß lässt bald nach und wir gelangen zum Anstieg zur Oberhütte. Dieser Anstieg ist eine einzige steile Rampe, die nicht flacher wird und ich darf einfach nicht langsamer fahren, damit ich nicht umfalle.

Auf 1876 Metern Höhe auf der Terrasse der Oberhütte treffen wir auf lustige Wanderer am Nachbartisch, die sich neugierig von der Hüttenwirtin beraten lassen und sich durch die gesamte Schnapskarte trinken. Wir wählen Suppe und Kaiserschmarrn und radeln weiter.

Jetzt sind wir mitten drin in den Radstädter Tauern, fahren am Oberhüttensee vorbei und über Tonnen von Schiefergneise. Sie funkeln im Sonnenlicht wie eine saubere Fahrradkette. Wir grüßen die letzten Wanderer und sind alleine zwischen Steinen, Wiesen und Murmeltierlöchern.

Unser höchster Punkt des Trails ist die Seekarscharte mit 2022 Metern Höhe. Hier begrüßt uns ein korrodiertes Stoneman-Zeichen und wir wissen sicher: hier sind wir richtig. Ein paar Gewitterwolken türmen sich, noch bleibt uns Zeit für die Abfahrt ins Skigebiet Obertauern und zum Johannesfall. Danach folgen wir dem Fluss Nördliche Taurach über Untertauern bis nach Radstadt.

Dort zeigen wir unsere Taurista Karte, die wir binnen zwei Tagen siebenmal gestempelt haben und bekommen einen silberenen Tauernstein für unsere Trophäe.